Es geschah an einem Wochenende im Juni, da unternahm die Bikekitchen einen Ausflug. Neun wackere der Bikekitchen zugeneigten Menschlein begaben sich mit ihren Rädern zum Walchensee, wo gemütliche Hütten auf sie warteten. „Einhundertundneun Kilometer fuhren sie an einem Tag?“, wird sich die aufmerksam lesende Person fragen, „das ist ja gewaltig!“ Und nein, tatsächlich bewältigte nur der eine Wackerste der Wackeren die gesamte Distanz mit dem Fahrrad. Während also der eine schon fuhr, lümmelten die übrigen noch in ihren Betten, um dann nach und nach an den unterschiedlichen am Weg gelegenen Straßenbahn-Stationen hinzuzustoßen. Nach einem Großeinkauf in Lenggries, einem Kaffee-und-Kuchen-Stop, dem raschen Umbau eines Steuersatzes und einer erfrischenden Fahrt durch die nass-grünen Wälder erreichten die Wackeren ihr Ziel: das Walchensee-Camp.
Kaum vom Rad gestiegen, rief das kühle Nass die von der Fahrt Erschöpften. Ploppende Flaschen bei jenen, die das Nass in sich hineinlaufen lassen wollten, jauchzende Schreie bei denen, die sich ganz und gar in das Nass des Sees hinein begaben. Derart gestärkt konnte das große Kochen beginnen! Und das große Zelt- und Hängematten-Aufbauen! Denn als hätte es nicht genügend Betten gegeben, bevorzugte die Hälfte der Wackeren, am Busen von Mutter Natur zu nächtigen. Was kümmert schon der für die gesamte Nacht angesagte Regen die hartgesottenen Gemüter der Bikekitchen! Nein, jede Gelegenheit, sich den Elementen auszusetzen, sollte genutzt sein! Während draußen also Thor oder so jemand einen stundenlang währenden Toilettengang antrat, fanden sich schließlich alle zusammen in trauter Runde rund um den dampfenden Riesentopf Gemüsegulasch ein. So saßen und aßen sie, sorg- und ahnungslos ob der klandestinen Ereignisse, die das Dunkel der Nacht für sie noch bereit halten sollte. Nach einiger Zeit verabschiedete sich die Erste, um wohlverdiente Nachtruhe im Holzhaus zu finden. Dort angekommen sagte sie zu einer Anderen, die auch auf den dunklen Wegen unterwegs war:“Da war ein kleiner Fuchs am Zelt, total süß! Der hat mich angekuckt und ist dann weggelaufen!“ Als dann nach einiger Zeit diese Andere zu den Zelten hinüber sah, da dachte sie sich:“So viel Regen! Und wie stark der Wind doch weht! Wie die Wände des Zeltes wackeln!“ und entdeckte sogleich einen Fehler:“Moment einmal, es geht gar kein Wind, was wackelt da so im Zelte?“ Da lukte, ganz wachsam und vorwurfsvoll ob der Störung, der kleine Fuchs über die Zeltwand hinweg. „Die geht nicht weg“, dachte er sicherlich, „so ein Mist, dann tu ich halt so und verschwinde.“ Ein kurzer Blick zurück, und weg war der kleine süße Fuchs. Beruhigt und berührt von der Begegnung gesellte sich die Andere wieder zu den Anderen, in trügerische Ruhe gewiegt. So saßen sie und redeten und tranken und freuten sich bis bald die nächsten sich zur Ruhe begaben. Und sogleich zurückkamen und gar schreckliche Nachricht verkündeten: „Der kleine Fuchs hat eine Fahrradtasche geklaut, die lag im Wald. Die Riemen hat er durchgenagt. Und hat unser Brot für’s Frühstück auch geklaut!“ Entsetzen, Erstaunen, Raunen ging durch sie Runde! Kein Brot zum Frühstück! „Wie sollen wir uns nur für die Rückfahrt stärken?!“ Nach kurzer Sorge um die Zukunft wendeten sich die Wackeren jedoch wieder der viel näher liegenden Gegenwart zu, saßen und redeten und tranken. Und gingen schließlich erschöpft und beseelt in ihren jeweiligen Betten. Doch Nachtruhe war den Zelt-Wackeren nicht gewährt. Weitere vier Male versuchte der süße kleine Fuchs von den Fremden die berechtigte Miete einzufordern. Erst als der Morgen schon graute, war schließlich alles ruhig, der Regen Vergangenheit, Wald und See ruhten.
Eine nach dem anderen öffneten die Wackeren die müden Augen. Die Welt ringsum war vom nächtlichen Regen getränkt, doch die entleerten Wolken ließen erahnen, dass sie bald Platz machen würden für wärmende Sonnenstrahlen. Ein Ruf hallte durch den Morgen, es war der See, der rief: „Bebadet mich, steigt ein in mein eiskaltes Gewässer und erfrischt Körper und Seele!“ Sie ließen sich nicht zweimal rufen, hinein! Die wohlige Kälte ließ das Herz erzittern, höher schlagen, durchdrang Mark und Bein. Was könnt es Schöneres geben! Berauscht von der morgentlichen Ruhe schmeckte ihnen der Kaffee am See recht gut. Und Wunder ach, sogar das zweite Frühstück fiel gar üppig aus, mit einem reich gedeckten Tisch, auch ohne das Brot, das dem Fuchs wohl schwer im Magen gelegen haben mag.
Dann zack zack, auf geht’s, abspülen, Zelte trocknen, Sachen packen, Sonnencreme aufgetragen, auf die Räder, los in den sonnigen Tag! „Niemals den gleichen Weg zurück, den du gekommen bist“, heißt es, und das befolgten sie, Richtung Garmisch. Sie taten, was sie am liebsten taten, und rollten dahin durch Wälder, Wiesen, über Stock und Stein, bergauf auch mal im Schiebegang, entlang an Seen, im Hintergrund beschneite Spitzen der Berge. Noch ein See, hinein! Ein Eiscafé, hinein! Nun, wie in einem Spiegelbild des Tages zuvor, verloren die Wackeren eine nach dem anderen an der ein oder anderen Zugstation. Die Verbliebenen fanden zum Abschlussschmaus ein griechisches Restaurant ihrer Wahl, und am Ende war da wieder dieser eine Wackerste der Wackeren, der als Einziger von ihnen es in sich hatte, die vielen Kilometer bis zu seinem Bett in München mit dem Rad zu fahren. Und weil das alles gar so schön war, freuen sich alle darauf, wenn es wieder heißt:“Beine hoch und durch, komme was da wolle!“