„Wirtschaft warnt vor Verkehrskollaps“ – Münchner Merkur

Im Münchner Merkur wird gerade vor der Großen Verkehrsapokalypse gewarnt:

Überfüllte U- und S-Bahnen gefährden nach Ansicht der bayerischen Wirtschaft Münchens Attraktivität für Fachkräfte. „Schon heute bringt die kleinste Störung das Verkehrssystem zum Kollabieren“, sagte Peter Kammerer, Bereichsleiter Volkswirtschaft der Industrie- und Handelskammer für München und Oberbayern, der Nachrichtenagentur dpa. Straßen und öffentlicher Nahverkehr müssten dringend ausgebaut werden, damit die Arbeitnehmer mit vertretbarem Aufwand zu ihren Arbeitsplätzen kommen.

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Ein leistungsfähigeres Netz an Hauptstraßen könne das Verkehrsaufkommen bündeln und flüssiger machen.

Postfossile Mobilität
Postfossile Mobilität in Dänemark

Obwohl im ganzen Artikel kein Wort über die naheliegendste Lösung fällt (klar, das Fahrrad), ist auch die Idee vom Ausbau der Hauptstraßen nicht wirklich sinnvoll. Denn es stellt sich damit in der Stadt wieder die Frage nach der Verteilung des begrenzten Raumes: Baut man Häuser zum Leben oder Straßen zum Fahren? Baut man nun Straßen, werden die Häuser halt außerhalb von München gebaut, was wieder den Pendlerverkehr steigert und die Straßen wieder auslastet. Langfristig gewinnt man dadurch nichts.

Schönes Beispiel ist da die USA, die ja auch schon so viel Erfolg damit gehabt haben, riesige Stadtautobahnen zu bauen, um Staus zu vermeiden und die Menschen aus den Suburbs in die Stadt zu leiten. Daher gilt nach wie vor das Bonmot: Wer Straßen sät, wird Verkehr ernten.

Dabei scheint der Stau ein eigentlich gutes Regulativ für den motorisierten Individualverkehr (MIV) zu sein: Je öfter Stau ist (durch Baustellen oder langfristige Verkehrsflussänderungen), desto weniger Menschen fahren mit dem Auto, bis sich wieder eine „angenehme“ Staulänge eingestellt hat. Denn eine halbe Stunde kann man verkraften, zwei Stunden hingegen weniger. Natürlich müssen Alternativen bestehen, z.B. ein günstiger und dicht getakteter ÖPNV oder ein fahrtüchtiges Fahrrad im Keller oder vor der Haustür.

Verkehrspolitik
Kopenhagener Verkehrspolitik

 

Plant man jedoch, Autoparkplätze in Fahrradparkplätze umzuwandeln, weil die Gehsteige sonst von zahlreichen Rädern blockiert werden und die Autos eh 23 Stunden am Tag nur nutzlos rumstehen, ist das Geschrei der umliegenden Ladeninhaber groß: Wo sollen denn meine Kunden parken? Dass Fahrradfahrer, Fußgänger und ÖPNV-Nutzer auch Kunden sind, scheint da irgendwie nicht ins Bewusstsein der Ladeninhaber zu dringen. Dabei ist die Geldbeuteldichte bei Radfahrern viel größer als bei Autofahrern. Auf den Platz eines Autos mit durchschnittlich 1,4 Geldbeuteln kommen locker 6 Fahrräder mit einem eigenen Fahrer nebst Geldbeutel, der gerne sein durchs Fahrradfahren gesparte Geld in lokalen Läden ausgibt. Fürs Geschäft wäre es eigentlich das Beste, Autoparkplätze zu reduzieren.

Wissenschaftlich untersucht wurde dieser Zusammenhang in Toronto, Kanada:

Cycling is good for businessCyclists tend to be more reliable customers than drivers, spend larger amounts of money per capita per month, and are easily attracted with appropriate infrastructure.
As a larger share of trips in North American cities are made by bicycle, businesses should seize the opportunity and support investment in cycling infrastructure to increase competitiveness.

Die Reduktion der Autoparkplätze hätte den tollen Nebeneffekt, dass sich dadurch auch der MIV reduziert: Denn wo möchte man hinfahren, wenn man dort nicht parken kann? Was klarerweise ebenfalls fürs Fahrrad gilt 🙂