Experiment: Wir verschenken unsere Altteile!

Wer bei uns schon in der Glockenbachwerkstatt war, hat vielleicht bereits einen Blick in unser „Lager“ im hinteren Bereich der Werkstatt werfen können. Im Lauf der Jahre (wie viele sind wir eigentlich schon in der Glocke, 8, 9?) hat sich eine Menge historisch wertvoller Altteile vulgo Gerümpel angesammelt. Anfang November haben sich einige motivierte Helfer aufgerafft die Kammer des Schreckens zu öffnen und alles mal rauszuräumen (und nebenbei Glühwein und Lebkuchen zu verputzen). Das sah dann so aus:

Mitten in der Aufräumaktion. Nicht im Bild sind über zehn Felgen, die mittlerweile nicht mehr unter uns weilen.

Beim absolut notwendigen Sortieren nach guten und schlechten Teilen gab es auch einige Grundsatzdiskussionen: Wie oft brauchen wir einzelne Bremshebel? Wer braucht noch diese uralten Schalthebel? Wie viele gebrauchte Schläuche brauchen wir im Lager? Wer entscheidet, was noch gut ist und was keiner braucht?

Während einige dem harten Wegwerfen fröhnten und Rahmen, Laufräder und Kleinscheiß aussortierten um überhaupt mal wieder Platz zum Arbeiten zu schaffen, wollten einige den Vereinszweck des „Beitragens zur Überwindung des umweltschädlichen Verhaltens“ nicht einfach so mit den Altteilen in die Schrottpresse befördern. Eine Lösung musste her, und wurde gefunden: Wir verschenken unsere Altteile.

Künftig findet ihr in der Glocke eine große graue Kiste, deren Inhalt ihr kostenlos mitnehmen könnt. Sprecht dazu einen Helfer an, der euch die Kiste zeigt. Zusätzlich stellen wir den Inhalt über ein Kleinanzeigenportal online, der Inhalt kann dann während den üblichen BK-Öffnungszeiten abgeholt werden. Über eine kleine Spende zum Erhalt des Werkstattbetriebs freuen wir uns, ist aber natürlich freiwillig.

Die Verschenkekiste mit allerlei „Schätzen“.

Die Aktion läuft erst mal als Experiment, um die Resonanz von Künstlern und anderen potentiellen Interessenten auszuloten. Für Nachschub sorgen wir ganz automatisch 🙂

Damit künftig die Altteile nicht im Container 9 landen.

Impressionen zum Cyclocamp 2023 in Strasbourg

Übersicht des Camps

Im Juli 2023 fand in Strasbourg ein Treffen von Fahrradenthusiasten, Makern, Künstlern und anderen tollen Menschen statt, auf einer schönen Wiese umrahmt Wald, Gemeinschaftsgärten und einer TGV-Strecke.

Die Struktur des Camps wurde von der lokalen Bikekitchen organisiert und aufgebaut, der Erhalt und die Pflege lag dann in den Händen der Gemeinschaft. Täglich gab es ein Plenum zur Diskussion wichtiger Themen (Essen, Workshops, Werkzeugdisziplin, Security, Konzerte, Aktionen, …), die restliche Zeit war selbstorganisiert. Spenden sicherten die Beschaffung von Essen, Strom und Wasser.

Workshops gingen in die technische (Vhelio-Projekt, Löten, Reiseoptimierung mit Openstreetmap, Kettenschmierungen, …), künstlerische (Siebdrucken, Buttons, …) und soziale Richtung (Diversität in Bikekitchens, Besuch belgischer und französischer Werkstätten, …). Daneben war auch viel Zeit zum Experimentieren und Basteln, bspw. eines Superman-Fahrrads mit extrem kleinen Vorderrad, oder eines Fixies mit gleichausgerichteten Kurbelarmen. Konzerte wie von Fanfare FEIS, Präsentationen, Exkursionen in die Stadt und andere Aktivitäten rundeten das vielfältige Programm ab.

Bis zum nächsten Cyclocamp!

… wieder mal auf dem Zahnfleisch fahren …

Wieder war mal ein Antriebswechsel am Stadtfixie notwendig. Dabei war der letzte doch erst 2017?

Eine Herausforderung war, das alte Ritzel von der Nabe zu kriegen. Selbst eine Fahrt ohne Lockring mit Kontern hat nichts gebracht. Erst Brunox, beherztes Einspannen im Schraubstock, und Teamwork zu Dritt lockerte das störrische Ritzel. BK together strong 🚀

Diesmal wurde Kettenblatt, Kette und Ritzel statt auf 3/32″ auf noch breitere 1/8″ aufgerüstet, hoffentlich hält es dann noch länger als 5 Jahre.

Die Antreiber – Ma Ville à Velo 08 in Charleville-Mézières

Die Stadt Charleville-Mézières ist die Hauptstadt des französischen Ardennen-Departements, was die Ordnungsnummer 08 hat. Die Stadt liegt malerisch an der Maas, die hier einige Schleifen mäandert und wo einige Schleifen auch mit Schleusen kurzgeschlossen worden sind. Dieses Jahr war die Stadt auch Durchgangsort einer Etappe der Tour de France, die über die beeindruckende Place Ducale führte. In der Stadt merkt man wieder, dass die Verwaltung und Politik den Radverkehr ernst nimmt und sich um Stellplätze, Radwege und Wegweisung kümmert. Zwar noch nicht auf dem Niveau von Gent, aber deutlich über dem von Tournai.

Beispielsweise sieht man das an der Initiative Ma Ville à Velo 08. Die Fahrradwerkstatt mit Pausenraum und strategischem Planungssofa befindet sich direkt an einer Durchgangsstraße, wo man den Autofahrern im Stau stehen zugucken kann. Im Büro liegt der Bürgermeister auf der Schnellwahltaste, und es werden Ideen und Pläne zur Verbesserung des Fahrradfahrens bei Keksen, Kaffee und marokkanischem Minztee diskutiert. Die Initiative wird teils durch die Stadt, teils durch Mitgliedsbeiträge und Fahrradverkäufe finanziert.

Die Werkstatt hat wunderschön gestaltete Anleitungen zum richtigen Reparieren und Einstellen von Bremsen, Schaltung etc. Und natürlich einen Keller, der mit guten, gebrauchten und schrottigen Rädern gefüllt ist.

Selbstverständlich wurden im Rahmen des internationalen Botschafter-Programms der Fahrradselbsthilfe-Werkstätten zur Förderung der grenzüberschreitenden Solidarität und des quietschfreiens Fahrradverkehrs auch Sticker ausgetauscht.

Update: Die Freunde aus Charleville-Mézières haben einen kurzen Bericht mit französischer Übersetzung dieses Artikels verfasst. Vielleicht übersetzen sie auch noch dieses Update? Rekursion ad infinitum 🙂

Dieser Artikel ist Teil einer Serie über europäische Fahrradselbsthilfe-Werkstätten.

Schrauben unter den Augen von Grand Jacques – Biciklo Tournai

Die Stadt Tournai ist deutlich kleiner als Gent oder Liège, und hier rumpelt man eher langsam über das unebene Kopfsteinpflaster, als bequem darüber zu rollen. Der Autoverkehr herrscht vor, während Radfahrer nur spärlich unterwegs sind.

Im Zentrum von Tournai befindet sich in einem Jugendzentrum das Veloatelier Biciklo, ein Wortspiel zwischen Bicycle und dem Dialekt-Wort Biklo (ausgesprochen bikluu). Jaja, ich musste auch erst an eine rollende Toilette denken…

Eine Besonderheit ist eine riesige Figur namens Grand Jacques, der bei bestimmten Festen durch die Stadt gefahren wird. Der Kopf von Jacques ist ungefähr so alt wie das Jugendzentrum, ca. 40 Jahre. Der Körper wurde erst kürzlich von den Jugendlichen neugebaut, da der ursprüngliche Körper irgendwann nicht mehr da war. Und unter dessen Augen werden regelmäßig Fahrräder repariert.

Auch wenn die Stadt bei weitem nicht so weit ist wie bspw. Gent, gibt es bereits die Grundstruktur für eine bessere Fahrradzukunft.

Dieser Artikel ist Teil einer Serie über europäische Fahrradselbsthilfe-Werkstätten.